Die Persönlichkeit eines Menschen zu erfassen ist ein schwieriges Unterfangen, weil es eine sehr komplexe Angelegenheit ist. Die Fülle an „Persönlichkeitstests“ und die Glaubenskriege, welche davon denn „richtig“ sind, unterstreichen aber das Interesse der Menschen an griffigen Modellen, um andere besser einschätzen zu können. Ein gutes Modell für die Praxis muss dabei einfach zu handhaben sein und mit der Selbsterkenntnis anfangen.

Im Arbeitsalltag ist es sinnvoll, eigene Verhaltensmuster und Antreiber zu kennen und das wahrscheinliche Verhalten anderer Personen einschätzen zu können. Erfahrene Projektleiter und Führungskräfte machen dies oft durch ihre erlernte Menschenkenntnis. Der Haken dabei ist, dass man oft jahrelange Erfahrung braucht, bis die Einschätzungen hinreichend gut sind. Das liegt an der grundsätzlichen Problematik der „subjektiven Realität“, die jeder von uns hat. Und es ist ein Irrglaube, dass Menschen mit den uns bekannten Methoden wirklich richtig erkannt und beschrieben werden könnten. Eine Landkarte zeigt schließlich auch nur ein bestimmtes Bild und nicht die tatsächliche Landschaft!

Wir schätzen Menschen dennoch ständig auf der Basis unserer individuellen Erfahrungen ein – das lässt sich auch gar nicht abstellen, weil es ein Ur-Instinkt ist. Freund oder Feind – kämpfen oder weglaufen? Dafür haben wir Programme, die weit unterhalb unseres normalen Denkens im Stammhirn ablaufen. Limbische Programme, wie die Neurowissenschaft uns lehrt. Und weil das nun mal ständig abläuft, ist es auch nicht ohne weiteres möglich, Menschen „neutral und wertfrei anzunehmen“. Stattdessen bewerten wir einander ständig gegenseitig. Wir können aber lernen, diese Bewertungen bewusster durchzuführen und mit neuem Wissen „brauchbarer“ zu machen. Das bedeutet nicht, dass diese Einschätzungen dann immer „richtig“ sind – aber sie werden „besser“!

Für den Arbeitsalltag braucht es keine wissenschaftliche Studie über Persönlichkeit. Es hilft ungemein, wenn wir das Verhalten eines Menschen in groben Zügen besser verstehen und vllt. auch vorhersehen können. Deshalb nutzen wir in unseren Projekten keine Persönlichkeitsmodelle sondern lieber Verhaltensmodelle. Wir wollen pragmatische Arbeitshilfen anbieten und dafür benötigen wir einfache und verständliche Modelle wie z.B. das DISC® Modell völlig aus.

In vielen Projekten hat sich das DISC® Modell als pragmatisch, leicht anwendbar und vor allem leicht erlernbar erwiesen. Es erhebt keinen Anspruch auf „die letzte Wahrheit“ und sollte auch immer nur als Modell verstanden und genutzt werden! Wenn man dies berücksichtigt, lassen sich viele Alltagssituationen und die Kommunikation im Team besser bewältigen.

Hier nun eine kurze Darstellung, worum es bei DISC Verhaltensprofilen geht. Wir verwenden zur Beschreibung eine amerikanische Version von E.G. Sebastian. Das Copyright für alle Abbildungen liegt bei ihm!

Die vier Verhaltensstile Dominant, Initiativ, Stetig und Gewissenhaft sind nicht als Schubladen zu verstehen im Sinne von: So bist du. Viel mehr beschreiben sie grundsätzliche Tendenzen im Verhalten, die beobachtet wurden aufgrund der Orientierung von Menschen zwischen den Polaritäten „eher schnell <–> eher verhalten“ und „Aufgabenorientiert <-> Menschenorientiert“.

Mit nur zwei Fragen lässt sich so eine erste grobe Einschätzung machen, in welcher Richtung ein Mensch vermutlich unterwegs ist.

  1. Ist der Mensch eher schnell oder verhalten in seinem Tempo?
    (zu sprechen, zu handeln, zu erwarten, zu fahren, zu leben, zu führen ….)
  2. Legt er mehr Wert auf Zahlen, Daten, Fakten (Aufgaben) oder mehr auf die Beziehungen und Bedürfnisse (Menschen)?

Das führt zu einer (Selbst-)Einordnung auf den beiden Achsen und damit zu einer möglichen Verhaltenstendenz. Diese MUSS auf jeden Fall weiter untersucht werden, um „passendere“ Aussagen über das Verhalten machen zu können! Dennoch gibt es einen ersten Anhaltspunkt.

DISC Übersicht

DISC Übersicht

© E.G. Sebastian

Es gibt zu den jeweiligen Orientierungen beobachtete Eigenschaften, die durch die jeweiligen Prioritäten und Werte entstehen. Also mehr im Sinne von: Jemand, der Wert auf Geschwindigkeit legt und Aufgabenorientiert ist, wird eher fordernd sein und wenig Zeit auf Gefühlskram verwenden. Das ist weder schlecht, noch gut sondern einfach nur eine Folge der Ausrichtung! Damit sind alle hier gemachten Beobachtungen keine Verurteilungen und Bewertungen, sondern lediglich der Versuch besser zu erkennen, was tatsächlich so ist.

Beschreibung fast paced - moderate paced Sebastian

Schnell vs. eher verhalten

 

Aufgaben - Menschenorientiert

Aufgaben – Menschenorientiert

© E.G. Sebastian

 

Aus diesen Orientierungen ergeben sich die vier Quadranten DISC. Je nach Anbieter des Modells werden diese Quadranten teilweise mit unterschiedlichen Farben und Abgrenzungen dargestellt, was für die praktische Anwendung aber nicht relevant ist. Die erkennbaren Verhaltenstendenzen allerdings sind von großem Nutzen – zur Selbsterkenntnis und natürlich zum persönlichen Umgang mit „Andersartigkeit“

 

DISC Verhaltensstile

DISC Verhaltensstile

© E.G. Sebastian

 

Hier eine kurze Zusammenfassung der Verhaltensstile:

 

Dominance (D) – schnell und aufgabenorientiert

  • Forsch und direkt, bestimmt. D’s sind dynamische, zielorientierte Menschen, die gerne Verantwortung und Führung übernehmen. Sie entscheiden schnell und erwarten schnelle Ergebnisse.

Influence (I) – schnell und menschenorientiert

  • Begeisternd und freundlich. I’s sind extrovertierte Menschen mit großer Energie die es lieben, andere mit ihrem Witz, Charme und Humor zu überzeugen. Sie sind Verführer.

Steadiness (S) – eher langsamer und menschorientiert

  • Sorgend und unterstützend. S’s sind ruhige und freundliche Menschen, die großartig darin sind, andere zu unterstützen und Support zu leisten. Sie richten sich gern nach Regeln, sind hervorragende Zuhörer und tolle Teamplayer.

Conscientiousness (C) – eher langsam und aufgabenorientiert

  • Vorsichtig, bedächtig und detailgenau. C’s sind konzentrierte und verlässliche Menschen, die gern mit Konzepten und Aufgaben arbeiten. Sie lieben es zu planen und in Strukturen zu denken. Sie sind sehr an Qualität und Genauigkeit interessiert.

 

Es gibt jede Menge Variationen und Mixturen aus Verhaltensstilen. Bei der Begegnung mit anderen Menschen ist es jedenfalls nützlich, die Tendenzen zu erkennen, um einen angemessenen Umgang und eine passende Kommunikation zu erreichen. Dabei geht es nicht um Abwertung, sondern lediglich um Erkenntnis. Vermeiden Sie vorschnelle Urteile und Schubladisierung und gehen Sie bewusst mit solchen Tools um. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Change Agents sehr von der Entwicklung ihrer Menschenkenntnis profitiert haben. Innerhalb der Projekte und auch persönlich.

Hier noch eine Grafik, die schön zusammenfasst, wie die DISC® Typen bevorzugt arbeiten:

DISC Übersicht

DISC Übersicht

Abbildung 5Quelle unbekannt!

Kein Typ ist gut oder schlecht oder besser als andere! Allerdings hat jede Verhaltenstendenz Auswirkungen auf den persönlichen Umgang mit anderen, auf das Weltbild und auch auf die Einschätzung, was wichtig ist. Und aus dieser persönlichen Disposition resultieren dann auch Erwartungshaltungen, Führungsstile, Bewertungskriterien usw. Ob etwas gut oder schlecht ist, liegt also im Auge des Betrachters.

Und mit diesem Thema beschäftigt sich der nächste Artikel „Umgang mit verschiedenen Typen“.

(© by Detlef Gumze)