Das wunderbare an Kommunikation ist, dass der allergrößte Teil davon unsichtbar und unbewusst abläuft. Wir glauben, über das Gleiche zu reden und sind verwundert, wenn wir merken, dass hinter ein und demselben Wort sehr viele unterschiedliche Bedeutungen stecken. Weder kennen wir die inhaltliche Definition unseres Gesprächspartners zu einem Wort, noch ahnen wir die emotionale Bedeutung für ihn. Und trotzdem erwarten wir ständig, dass „der/die andere“ uns versteht. Nicht wirklich klug, wenn wir Veränderungsprozesse führen wollen.

Kommunikationsebenen

Beinahe jeder Mitarbeiter lernt irgendwann in Führungs-, Team- oder Vertriebstrainings etwas über die Grundlagen von Kommunikation: z.B. das Sender-Empfänger Modell oder auch das Eisberg-Modell. Erstaunlich, wie wenig diese Grundlagen ins tägliche Handeln übernommen werden. Offenbar wird der Nutzen zu wenig verstanden, was man an der Art des Umgangs miteinander, die Art der Kommunikation (verbal, schriftlich, nonverbal) und vor allem an den unzähligen Konflikten im täglichen Miteinander erkennt. Erlerntes Wissen ist eben doch nur nützlich, wenn es im täglichen Kontext auch angewendet wird.

Für die ChangeLeader ist es aus unserer Sicht unabdingbar, sich intensiv damit zu beschäftigen, „wie Menschen ticken“. Psychologisches Grundwissen und Kommunikations-Skills gehören neben der strukturierten Vorgehensweise mittels Coaching Kata, zum Grundhandwerkszeug eines ChangeLeaders. Mehr noch: Es braucht eine bestimmte innere Haltung, um

  1. Menschliches Handeln nicht nur zu verstehen, sondern zu akzeptieren und
  2. unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedürfnisse und Kontexte wirkliche Veränderungen herbeiführen zu können.

Klingt komplex – und ist es auch zum Teil. Aber es ist lernbar nach unserer Erfahrung. Deshalb gehört neben die methodische Ausbildung der Coaching Kata auch die Ausbildung einiger menschlicher „Soft-Skills“ zum Rüstzeug eines ChangeAgents. Vernachlässigt man dies, oder lässt es ganz weg, werden zwischenmenschliche Schwierigkeiten den Veränderungsprozess unweigerlich erschweren – manchmal unmöglich machen.

Eisberg-Modell

Was bedeutet es eigentlich für menschliches Verhalten, dass der größte Teil des Eisbergs unter Wasser ist? Ganz einfach – wir sehen die wesentlichen Risiken einfach nicht! In der Regel sprechen wir im Alltag über die 10% Sachebene und wundern uns, dass so vieles nicht ohne Reibung funktioniert. Dabei wird das sofort verständlich, wenn man in den Eisberg mal ein Strichmännchen malt. Der Kopf (Verstand) schaut aus dem Wasser, doch der Körper (Emotionen, Antreiber, Werte, Bedürfnisse) sind unter Wasser. Wir sehen sie nicht und oft genug ignorieren wir sie sogar. Sprüche wie: „Bleib doch mal sachlich“, „beruhig dich mal wieder“, „lass doch mal die Emotionen aus dem Spiel“ sind allesamt Versuche, die Komplexität des Miteinanders zu reduzieren und beherrschbar zu machen. Nur leider geht das an der Realität des menschlichen Verhaltens vorbei.

Es ist nicht dienlich, so zu tun, als ob es dieses „unter Wasser“ nicht gäbe. Denn dort unten schlummern nicht nur die Konfliktpotentiale sondern auch die Lösungen für Widerstände und Schlüssel für intrinsische Motivation! Also die größten Hebel, um Veränderungen zu initiieren und nachhaltig (selbst) laufen zu lassen.

Vereinfacht ausgedrückt kollidieren zwei Personen sehr oft im Bereich ihrer Werte, Ansichten, Antreiber und Bedürfnisse und NICHT, weil sie auf der Sachebene keine Lösung finden! Ganz so wie zwei Eisberge über Wasser noch ungefährlich weit voneinander entfernt sind, aber unter Wasser schon zusammen stoßen.

Wir können also drei ganz wichtige Dinge aus dem Modell lernen:

  1. Es macht Sinn, dass sich die ChangeAgents ihrer eigenen Motive, Werte, Antreiber und Bedürfnisse bewusst werden (sich also selbst besser verstehen)
  2. Viel besser verstehen, was Mitarbeiter wirklich nachhaltig motiviert (intrinsische Motivation)
  3. Was damit gemeint ist, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Nämlich durch Berücksichtigung ihrer Motive und systemischer Regeln.

ChangeLeader sollten also nicht nur auf ihre Tools und Methoden vertrauen, sondern sich intensiver mit den handelnden Menschen befassen, um wirkungsvoll Veränderungen zu gestalten.

Dabei ist eine Beobachtung der Auswirkungen von Grundbedürfnissen für Change Prozesse ziemlich nützlich, wenngleich nicht wirklich erwünscht: Die meisten Menschen streben nach Sicherheit – und sind damit automatisch gegen Veränderungen jedweder Art!

Da hilft es auch nicht, immer wieder zu beteuern, dass Fortschritt nötig ist und Änderungen „alternativlos“ oder „unumgänglich“ seien. Widerstand gegen Veränderungen ist eher die Regel, als die Ausnahme. Das sollte man auch nicht persönlich nehmen oder solche Menschen als Verhinderer betrachten. Es ist natürlich, den Status quo aufrecht erhalten zu wollen, weil es Sicherheit gibt. Dafür ertragen Menschen eine ganze Menge – Hauptsache, sie behalten die Kontrolle und kennen sich im alten System aus.

Was können wir tun?

Der leichteste Weg zu Veränderung führt immer über den persönlichen Nutzen bei Menschen! Trotz aller Zivilisiertheit und sozialem Verhalten versuchen die meisten Menschen instinktiv, für sich persönliche günstige Umstände zu schaffen. Das ist natürlich und am besten einfach zu akzeptieren. Denn wenn man das tut, kann man sich direkt damit beschäftigen, was ein wirklicher Nutzen für die Betroffenen ist – und damit die Menschen zum Mitmachen gewinnen.

So simpel das Eisberg-Modell ist, es erlaubt uns schnelle Einsichten, wo Veränderungen am wirksamsten zu initiieren sind. Um dort also die Hebel anzusetzen, macht es für ChangeLeader sehr viel Sinn, sich intensiver mit den inneren Motiven, Antreibern, Werten und Grundbedürfnissen zu beschäftigen. Doch Vorsicht: es geht dabei nicht um das Erlernen „besserer Manipulationsmethoden“, sondern um ein bewussteres Verständnis für Menschen.

Wir nennen es die „innere Haltung eines ChangeLeaders“. Damit ist gemeint, dass diese nicht nur Methoden und Wissen erlernen, sondern als Leader auch selbst Vorbild im Prozess sind. Denn das ist ein weiteres Geheimnis wirksamer Change-Prozesse: Be the Change … Mehr dazu in einem anderen Artikel.

(© Detlef Gumze, 2013)