Hallo lieber Leser!

Seit vielen Jahren arbeite ich nun als Lean Berater, Veränderer und Coach. Immer wieder fallen mir dabei Dinge auf, die ich nicht so recht in mein Weltbild einbringen kann. Ich möchte Sie mit diesem Artikel einladen, sich die Welt ein wenig aus meiner Perspektive anzuschauen. Dabei werde ich immer mal wieder Fragen an Sie stellen – nicht aus einer arroganten Laune heraus, sondern aus reiner Neugier. Zwar können Sie mir nicht direkt antworten – über Feedback per Mail freue ich mich aber natürlich sehr!

 

Hier meine Frage: warum ist es so schwer, Führungskräfte (in größeren Organisationen)

in den täglich gelebten Verbesserungsprozess zu integrieren?

Hier meine Gedanken…

…denke ich heute an einen täglichen Verbesserungsprozess, so stelle ich mir in der Regel eine Produktionshalle mit vielen Mitarbeitern und Arbeitssystemen vor. Darin arbeiten die Mitarbeiter nach den schönsten Lean Prinzipien und Mitarbeiter sorgen mit täglichen Treffen an Infotafeln für den täglichen Fortschritt. An solchen Infotafeln nehmen verschiedenste Abteilungsvertreter teil, die dann entsprechende Aufgaben mit in die Abteilungen nehmen, um diese dort zu bearbeiten. Teils werden die Probleme auch von bestimmten Mitarbeitern bearbeitet und gelöst. Über Tag werden dann verschiedene kleine „Experimente“ zur Verbesserung durchgeführt und jede Menge Lernerfahrungen gemacht – denn auch eine nicht bestätigte Hypothese ist eine Lernerfahrung. Probleme werden generell als Schätze angesehen – sie sind willkommen, denn man ist froh, auf „leichte“ Weise zu sehen, wie man sich verbessern kann.

Das reale Bild ist natürlich noch größtenteils anders. Ich stelle immer wieder eine mehr oder weniger durchlässige „Membran“ zwischen „Montage“ und „Management“ fest. Mit Management meine ich diesmal wirklich die Führungskräfte. Nicht die Schnittstellenpersonen, die als Kontakt zur Montage dienen. Wobei ich „Montage“ natürlich auch nicht nur als reine Montage verstanden wissen möchte – ich meine damit alle direkt produktiven Bereiche. Die Realität zeigt, dass je größer ein Betrieb/ Standort/ Konzern ist, desto weniger Menschen befassen sich mit dem Shop Floor und desto weiter ist ein Manager davon weg. Desto weiter weg wird auch seine persönliche Aufgabe des täglich verbesserns gesehen. Nehme ich auf dem Shop Floor noch eine fast tägliche Veränderung (und sei es nur eine neue Variante) wahr, fällt mir dies in Büroräumen schon schwerer. Prozesse sind dort oft schon Tradition und Kundenwünsche und –anforderungen stoßen mit den damit verbundenen Änderungen selten so weit vor. Eine weitere Wahrheit ist wohl, dass je nachdem, wie lange so ein Betrieb schon an einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess dran ist, desto weniger „low hanging fruits“ gibt es auf dem Shop Floor und um so mehr „fruits“ hängen im System selber – in den Prozessen und wie sie gelebt werden. Mit anderen Worten: die Probleme können nicht mehr nur vom/ auf dem Shop Floor gelöst werden, sondern erfordern Management-attention. Die Frage ist: wie ist diese bekommen?

Und worum geht es eigentlich? Das in Zukunft alle Manager auf dem Shop Floor an solchen Veranstaltungen teilnehmen sollen, um informiert zu sein und vor Ort Entscheidungen treffen zu können? Nein – natürlich nicht. Es geht um die richtige Balance – wie bei so vielen Dingen im Leben. Die Dosis macht das Gift. Was könnte dann ein Grundprinzip sein? Vielleicht: „Wir treffen alle relevanten Entscheidungen für den Shop Floor auf dem Shop Floor mit allen nötigen Entscheidern und Beteiligten“. Was wäre damit alles gewonnen? Ich denke, da gibt es einiges, was sich dann verändern würde:

  • Mitarbeiter „kennen“ Ihre übergeordneneten  Vorgesetzte wieder
  • Informationen können von den Führungskräften direkt an der Quelle aufgenommen (und nachgefragt) werden
  • Gerüchte können abgefangen und aufgelöst werden
  • Die Arbeit auf dem Shop Floor bekommt einen höheren Stellenwert, dadurch fühlt sich der Mitarbeiter wieder mehr gewertschätzt

 

Grade der letzte Punkt ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Wenn man die Dinge nüchtern betrachtet, dann erwirtschaften (nur) die Mitarbeiter auf dem Shopf Floor das Gehalt für die Führungskräfte – warum ihnen nicht auch die Wertschätzung entgegenbringen, sich um die Angelegenheiten dort persönlich zu kümmern? Mir persönlich geht es besser damit, wenn ich weiß, für wen ich arbeite.

Das führt natürlich auch zu der Frage, warum es nicht viele Manager auf den Shop Floor schaffen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es bei vielen die Zeitnot ist. Keine Zeit für so etwas… zu viele Mails, zu viele Meetings. Vielleicht ist das Büro auch einfach zu weit weg. Oder – um mal etwas tiefgehender zu sein – sie wollen sich mit „bloßen“ Mitarbeitern nicht abgeben, weil es wichtigere Themen gibt. Oder sie wissen gar nicht, was sie sagen oder tun sollen. Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo dazwischen. Eins ist sicherlich auch richtig: die angesprochenen Manager machen das sicher so, weil es für sie richtig ist. Doch was ist der „Preis“ dafür? Was könnten sie (Sie) alles Gutes erreichen, wenn es doch irgendwie ginge? Welche Zwischenschritte könnte es denn geben? Es muss ja vielleicht nicht täglich sein, sondern einmal in der Woche für den Start. Ich denke, es ist auch gar nicht nötig, den Anspruch zu haben, als Manager gleich auf dem Shop Floor alle Probleme lösen zu wollen. Viel wichtiger ist doch Offenheit und Ehrlichkeit. Wenn ein Problem für Sie nicht oberste Priorität hat, kann man das sagen. Wenn man für etwas auch nicht direkt eine Lösung hat, ist das auch völlig in Ordnung. Denn entgegen der landläufigen Meinung, sind Manager nämlich auch nur Menschen. Da bin ich mir sicher.  Es reicht auch vielleicht erst mal nur eine kleine Beteiligung von 15 Minuten – und später dann mehr. Es gibt viele kleine Möglichkeiten, ein wenig zu verändern. Vielleicht sogar mehr, als man auf den ersten Blick sieht.

 

So könnte eine engere Einbindung des Management auf den Shop Floor einige positive Effekte haben. Die Aufwände dafür stehen nach meiner Ansicht, in einem sehr kleinen Verhältnis zum Gewinn. Die Frage nach einer harten Rechenbarkeit des Themas erübrigt sich – oder fragt man sich auch nach einer monetären Sinnhaftigkeit, dass sich Eltern viel mit ihren Kindern befassen?

 

In diesem Sinne freue ich mich über ihr Feedback und Anregungen zu diesem Text.

Immer schön in Bewegung bleiben :o)