Ein wissenschaftliches Experiment ist im wesentlichen durch folgende zwei Bestandteile gekennzeichnet:

  1. Konkrete Hypothese
  2. Durchführung eines Experiments (Aufbau und Durchführung sowie anschließende Schlussfolgerung)

Im Rahmen eines Experiments wird gezielt 1 Parameter am Prozess verändert (und alle anderen bleiben gleich). Da es beim Experimentieren darum geht, schnell eine neue Erkenntnis über den Ablauf des Experiments und das erwartete Ergebnis zu erlangen, sind die beiden o.g. Bestandteile für eine wirkliche Lernerfahrung unumgänglich!

Eine Hypothese ohne Experiment bleibt theoretische Annahme (und führt zu viel Diskussion) und ein Experiment ohne Hypothese führt zu keiner wahren Erkenntnis (da ich ohne konkrete Erwartungshaltung etwas verändert habe)!

Um diese beiden Elemente besser zu verstehen, beschreiben wir sie im Folgenden.

Was ist eine Hypothese?

Eine Hypothese ist eine Annahme. Annahme heißt, es ist eine Art Vorstufe von Wissen, die bislang noch nicht bestätigt/widerlegt wurde. Diese Annahme kann nur durch ein darauf aufbauendes Experiment mit den entsprechenden Fakten konkretisiert werden!

Eine Hypothese dient entweder

  • Erkundung neuen Wissens oder
  • Bestätigung/Erklärung bereits bekannter Tatsachen

Im Kontext der Verbesserungskata dient die Hypothese dazu, den Prozess gezielt zu verändern und dadurch in Richtung des Ziel-Zustandes zu  verbessern. Eine Veränderung am Prozess ohne eine konkrete Erwartung daran, was für ein Ergebnis herauskommt, wäre fahrlässig!

Deshalb arbeiten wir im Kontext der Verbesserungskata mit Arbeitshypothesen. Diese Arbeitshypothese dient dazu, im Rahmen eines angrenzenden Experiments die vorläufige Annahme (=Arbeitshypothese) über das Zusammenspiel möglicher Bestandteile eines neuen Arbeitsablaufes zu überprüfen. Je konkreter diese Hypothese ist, desto besser ist es uns möglich Erkenntnisse aus dem Experiment zu ziehen. Bestandteile der Hypothese sollten sein:

  • Konkrete Vorstellung darüber, wie der Prozess ablaufen sollte (z.B.
    1. Mitarbeiter montiert … als erstes
    2. MA geht er zu Arbeitsplatz 3
    3. Ma montiert …
    X. MA ist zurück zu AP1 gegangen
  • Der Ablauf sollte Messpunkte beinhalten und konkrete, messbare Werte, die zum jeweiligen Messpunkt erreicht sein sollten (z.B.
    1. Mitarbeiter montiert … als erstes   0:00
    2. MA geht er zu Arbeitsplatz 3         1:25
    3. Ma montiert …                                1:35
    X. MA ist zurück zu AP1 gegangen  3:45
  • Klar definiertes Ziel/erwartetes Ergebnis (z.B. dann schaffen wir es, das Produkt in 4:45 Min mit 1 Mitarbeiter zu montieren)
  • Dokumentation aller aktuell bekannten Einflussgrößen
  • 1 Parameter, der gezielt am Prozess verändert wird

Um aus der Annahme (= Hypothese) nun Wissen zu generieren und zu wissen, was funktioniert und wo der Prozess noch Probleme hat, muss unmittelbar nach Beschreibung der klaren Hypothese das Experiment aufgebaut und durchgeführt werden, um schnell schlusszufolgern, warum es funktioniert oder nicht funktioniert hat!

 

Was kennzeichnet ein Experiment

Die Grundlage für das Experiment bildet die Hypothese. Einige allgemeine Eigenschaften sollten von einem „guten“ Experiment erfüllt werden, wie u.a.

  • Möglichkeit der Falsifizierung ist gegeben (=es kann etwas schief gehen)
  • 1 Parameter wird gezielt verändert
  • Aufbau des Experiments ist entsprechend dem Kenntnisstand des Experimentators

Ziel eines Experiments ist es, zu einer neuen Erkenntnis über den Ablauf des Prozesses zu erlangen. Hierfür gliedert sich das Experiment in drei Phasen:

  1. Aufbau des Experiments
  2. Durchführung des Experiments
  3. Ableitung der Erkenntnisse

Bei der Hypothese handelt es sich um eine bislang nicht bestätigte Annahme – sprich: wir wissen nicht ob der Prozess so funktioniert, wie wir ihn in der Hypothese beschrieben haben. Da es gut möglich ist, dass das Experiment den Prozess nicht in die erhoffte Richtung verbessert, entscheidet bereits der  Aufbau des Experiments über unsere Erkenntnis! Da generell bei einem Experiment die Möglichkeit der Falsifikation (=es kann etwas „schief gehen“) besteht, ist grundsätzlich beim Aufbau eines Experiments darauf zu achten, dass es:

  • schnell zu neuer Erkenntnis führt (ca. innerh. 1-5 Std.) und andererseits
  • einfach aufgebaut ist (=mit einfachsten Hilfsmitteln umgesetzt).

Das Experiment muss mit geringer Investition (Kapazität, Geld, andereRessourcen) schnell zu einer neuen Erkenntnis führen! Deshalb ist es wichtig das Experiment in Anlehnung an den Kenntnisstand des Verbesserers aufzubauen (Siehe Grafik)!

Wie „perfekt“ sollte ein Experiment umgesetzt werden? Diese Treppe hilft uns beim Aufbau eines Experiments

Das Experiment muss genau so aufgebaut werden, wie es in der Hypothese beschrieben wurde. Hierbei ist es wichtig, dass wir gerade im Rahmen erster Experimente durch eigene, selbst aufgebaute Experimente unser Verständnis des Prozesses steigt und wir genau verstehen, warum etwas funktioniert und warum nicht!

Die Lean-Welt spricht häufig von LowCost-Umsetzungen. Im Kontext der Kata bekommen LowCost-Umsetzungen jedoch eine ganz neue Bedeutung. Diese Art der Umsetzung ist Mittel zum Zweck – sie dient dazu schnell und auf einfachem Wege neue Erkenntnisse bei einer Person herbeizuführen. Da eine Führungskraft (Vorarbeiter, Hancho, etc.) in ihrem Arbeitsalltag nicht die Zeit hat, aufwändige/lange Umsetzungen vorzunehmen, sind die ersten Erkenntnisse in Form einfacher Umsetzungen von besonderer Bedeutung. Deshalb sind einfache, schnelle Umsetzungen ein wesentlicher Schlüssel für die Verankerung der Kata im Tagesgeschäft.

Während das Experiment muss der Verbesserer den Prozess genau beobachten, Notizen zum machen und die tatsächlichen Messwerte detailliert dokumentieren. Diese Notizen sind in der Reflexion die notwendige Grundlage um neutral zu einer Erkenntnis zu gelangen. Deshalb ist von jedem Experiment eine detaillierter Mitschrieb anzufertigen, wie der Prozess tatsächlich gelaufen ist, was die Werte an jedem einzelnen Messpunkt ist und was mir während des Experiments über den Prozess auffällt.

Nach dem Experiment ist ein Feedback des Mitarbeiters vor Ort (der das Experiment/den Prozess durchgeführt hat) zusammen mit dem Aufschrieb des Prozesses für eine erfolgreiche Reflexion sehr wichtig. Direkt nach dem Experiment werden die erwartete Ergebnis mit dem tatsächlich beobachteten Werten gegenübergestellt und nach den Abweichungen geforscht. Diese Abweichung kann durch unsere Beobachtungen und Notizen aus der Prozessbeobachtung abgeglichen und somit die Ursache des Problems in der Regel schnell herausgefunden werden.

Durch die Koppelung einer „guten“ Hypothese mit einem zielgerichteten Experiment können Mutmaßungen und Meinungen schnell mit Fakten hinterlegt werden. Diese Erkenntnis schafft eine gemeinsame Gesprächsgrundlage und macht Entscheidungen wesentlich einfacher und zielgerichteter möglich!