Die Struktur der Coaching Kata hilft enorm, kontinuierliche Prozessverbesserung mit einer strukturierten Vorgehensweise zu unterstützen. Trotzdem bleibt die Erkenntnis, dass die Prozesse letztlich von Menschen durchgeführt und gesteuert werden, Und bei aller Planung und ausgefeilter Struktur sind es letztlich die Menschen, die nicht nur ihr Verhalten für den Lean Prozess anpassen müssen, sondern in einigen Punkten ihre innere Haltung, d.h. die Art, wie sie Ereignisse im Leben betrachten und behandeln.
Ein schwieriges Unterfangen, denn
- wird oft viel zu wenig Wert auf die Berücksichtigung menschlicher Eigenheiten bei Organisationsveränderungen gelegt und
- ist die Impulsierung von Veränderungen bei Menschen höchst anspruchsvoll.
Im Zeitalter gut ausgebildeter Menschen ist es zunehmend schwieriger, Mitarbeiter durch direkte Anweisungen zu führen. Sie fragen nach, haben eigene Ideen, wollen selbst etwas beitragen – und haben außerdem auch noch Umstände außerhalb der Arbeit, welche ihr Verhalten massiv beeinflussen. Gerade dieser Aspekt ist für das nachhaltige Gelingen von Change Prozessen von großer Bedeutung. Erstaunlicherweise wird dies allerdings häufig nicht getan. Zum einen ist es komplex und zum anderen hören wir Argumente wie: „Wir haben keine Zeit für solche Dinge“ oder „Die Mitarbeiter müssen sich einfach nach unseren Regeln richten“ oder „Wer zahlt, schafft an“ oder „Wir haben das schon immer so gemacht“ usw…
Die Wahrheit ist: Wenn wir diese menschlichen Eigenheiten nicht berücksichtigen, kommt es unweigerlich zu Widerständen, Sand im Getriebe, Sabotagen, Verschleppungen usw. – der Change Prozess kommt ins Stocken, zum Stillstand oder kippt gar vollständig!
Natürlich gibt es viele Beispiele, wo Veränderungsprozesse mit Nachdruck installiert und in einer Organisation oder Gesellschaft umgesetzt wurden. Die Menschen haben sich dem „mehr oder weniger freiwillig“ angepasst. Menschen sind bei Bedarf sehr flexibel. Doch um wie viel produktiver, nachhaltiger und effizienter kann ein Change Prozess sein, der von einer Mehrheit „gewollt“ ist und neben den logischen Aspekten auch die emotionalen Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt?
Die moderne Hirnforschung belegt inzwischen eindrucksvoll, dass wir Menschen unsere Entscheidungen viel eher auf Basis von Emotionen wie Freundschaft, Autorität, Social Proof usw. treffen, und die Logik erst zum Einsatz kommt, wenn wir keine Resonanz auf der emotionalen Ebene haben. Logische Entscheidungen zu treffen ist offenbar Schwerarbeit für unser Hirn und deshalb nutzt die Natur eher die tiefer liegenden, schnelleren emotionalen Entscheidungsebenen. Wie beim Computer die Maschinensprache. (Zur Vertiefung siehe auch Prof. Gerald Hüther)
Es scheint also hilfreich zu sein, das Wissen darüber „Wie Menschen ticken“ in Change Prozesse zu integrieren. Auch wenn es vielleicht komplex, aufwendig und unbequem erscheint: Für langfristig erfolgreiche Change Prozesse ist eine integrale Betrachtungsweise der Wechselwirkungen zwischen Individuen, dem Prozess und dem (sich ständig ändernden) Kontext unverzichtbar.
Was heißt das im Kata-Prozess? Wir müssen beim Design schon berücksichtigen, dass der „Kontext“ unser Ergebnis beeinflusst. Unter Kontext verstehen wir neben den offensichtlichen Parametern (Zeit, Ziele, Strategie usw.) hier z.B. die Kultur des Landes, die Unternehmenskultur, die gängigen Vorstellungen von do´s and don´ts, die (wechselnde) Unternehmensleitung, die unterschiedlichen Führungskräfte, die Management-Usancen, Art und Herkunft der Mitarbeiter, Gesellschaftliche Rahmenbedingungen usw.
Es macht natürlich einen Unterschied, ob wir Veränderungen in einer Individualistischen Kultur (wie der unseren) oder in einer kollektivistischen Kultur (wie den fernöstlichen) initiieren wollen. Und die Tatsache, dass in börsennotierten Unternehmen die Führung alle 3 – 5 Jahre wechselt hat unter Umständen größere Auswirkungen auf die Prozesse, als wir das gern zugeben wollen. Und das die gelebte Unternehmenskultur sehr häufig abweicht von den offiziellen Unternehmensleitlinien ist nur allzu oft Realität. (Siehe dazu auch Artikel „Unternehmenskultur im Change-Prozess“)
Nun sind es gerade die Widersprüche zwischen „reden“ und „tun“ woran wir Menschen die Glaubwürdigkeit anderer festmachen. Es sind die Verletzungen unserer Werte, die uns ablehnend reagieren lassen – auch wenn wir das oft gar nicht benennen können. (Siehe Eisbergmodell im Artikel „Der unsichtbare Teil – wo Konflikte und Widerstände entstehen“).
Change-Prozesse werden oft als „besonderes Projekt“ in Unternehmen aufgesetzt. Dabei ist es das Wesen der Natur und allen Lebens, sich ständig zu verändern, anzupassen, zu optimieren. Veränderung ist also nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Eigentlich wissen wir das alle – und dennoch verwenden wir unendlich viel Energie darauf, den Status quo zu erhalten. „Das haben wir schon immer so gemacht“, „Bloß keine Experimente“, „Never touch a running system“ usw… Die Liste der Argumente ist lang. Und der Grund für unseren Widerstand gegen Veränderungen ebenso einfach, wie unvermeidlich: Das Streben nach Sicherheit! Ein genetisch eingebautes Streben nach Sicherheit und Stabilität treibt die meisten Menschen dazu, Veränderungen skeptisch zu betrachten und eher zu vermeiden. Sicherheit dagegen hilft uns, „unsere Existenz zu sichern“. Es ist also ein Urtrieb, den wir nicht einfach abstellen können. Bei jedem neuen „Change-Prozess“ muss also berücksichtigt werden, dass „Veränderungsresistenz“ nicht eine individuelle Verweigerung ist, sondern die Regel innerhalb von Systemen. Überhaupt gibt es da noch einige „ungeschriebene“ sog. systemische Gesetzmäßigkeiten, die ein ChangeLeader kennen sollte. Sie decken die Wechselwirkung zwischen Personen und Prozessen und Systemen auf und geben uns ein Handwerkszeug, wie wir auf Basis natürlicher Prinzipien Veränderungen wirksam initiieren und mit dem Kata-Prozess dauerhaft implementieren können. Dazu mehr in einem anderen Artikel.
(© Detlef Gumze, 2013)
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