Ich habe in einem meiner letzten Artikel bereits über Flipped Classroom berichtet. Nun möchte ich etwas näher auf diesen tollen Ansatz eingehen. Bei Flipped Classroom steht nicht die Vermittlung von Wissen, sondern die Anwendung der Inhalte im Vordergrund. Bevor wir hierauf eingehen möchte ich jedoch eine Situation beschreiben, die dir wahrscheinlich sehr bekannt ist. Versetzen wir uns hierfür in die Sichtweise eines Trainingsteilnehmers und des Trainers hinein:

Der Teilnehmer ist der Kunde, er muss die im Training vermittelten Inhalte verstehen und bestmöglich anwenden können. Bei klassischen Trainings hört er dem Trainer aufmerksam zu und überträgt die Inhalte auf seine eigene Praxis. Einigen Inhalten kann er gut folgen, anderen weniger. Dies kann u.a. daran liegen, dass seine Erfahrungen (noch) nicht an das vermittelte Wissen anknüpfen. Sofort treten Unklarheiten oder Fragen auf. Traut er sich in dieser Situation nicht zu fragen, ist es für ihn solange schwer den Inhalten zu folgen, bis er wieder einen Anknüpfungspunkt findet. Im schlimmsten Fall kann er dem restlichen Ablauf des Trainings nicht mehr folgen, so dass er abschaltet und das Training nur einen begrenzten Mehrwert hatte. Stellt er seine Frage jedoch, wird sie höchstwahrscheinlich zur (teilweisen) Aufklärung beantwortet. Doch was passiert, wenn jeder Teilnehmer seine Fragen stellt?

Schauen wir uns hierfür die Seite des Trainers an. Er vermittelt die Lerninhalte und versucht dies so anschaulich, wie irgend möglich zu vermitteln. Erfahrene Trainer haben ein Gespür für Unklarheiten der Teilnehmer und stellen proaktiv Fragen, um den Kenntnisstand abzufragen. Die offenen Punkte erklärt er, wiederholt dies bei Bedarf und zieht ggf. noch andere Beispiele heran, um ein klares Bild bei den Teilnehmern zu entwickeln.

Doch für die Erklärung benötigt er viel Zeit und schafft es unter Umständen nicht, die gewünschten Inhalte am Ende des Trainings durchzunehmen. Geht man jedoch nicht auf die Fragen ein, sind die Teilnehmer passiv, verstehen die Inhalte nicht oder schalten ab. Schnell kommt man in eine schwierige Situation oder sogar in eine Sackgasse. Im besten Fall führt diese Situation nach dem Training – also in der Praxis jedes Teilnehmers – dazu, dass er versucht die Inhalte anzuwenden. Hierbei stößt er jedoch schnell die ersten Fragen oder auch Probleme, bei denen er nicht weiß, wie er sie beseitigt. Leider ist in dieser Situation jedoch der Trainer nicht mehr da, um ihm zu helfen.

Der Ansatz des Flipped Classrooms dreht die Art des Lernens von Grund auf „um“. Hierfür stellt der Trainer die Inhalte, die die Teilnehmer unbedingt verstehen müssen, bereits vor dem Training zu Verfügung. Damit die Teilnehmer jedoch die Stufe des lesens/anschauens überwinden und eine erste Verarbeitung der Inhalte durch den Teilnehmer stattfindet, wird zusätzlich ein kleines Quiz bereitgestellt, das von den Teilnehmern bereits vor dem Training ausgefüllt wird. Vorteil der vorab bereitgestellten Unterlagen besteht darin, dass man sie sich zu jeder Zeit anschauen, gewisse Inhalte wiederholen und sie sich so oft man möchte anschauen kann. Seit einigen Jahren setzt es sich mehr und mehr durch, die Inhalte in Form sogenannter Erklärvideos bereitzustellen, dies ist leichter und abwechslungsreicher für die Teilnehmer.

Durch die Unterlagen werden die wesentlichen Inhalte bereits vorab erklärt, so dass der Trainer während des Trainings darauf aufbauen kann. Er kann durch eine Reflexion der Inhalte, einer Besprechung der Verständnisprobleme und eine Aufgabe gut herausfinden, wie gut die Teilnehmer die Inhalte bereits verstanden haben und darauf aufsetzen. Die Probleme bei der Anwendung können nun während des Trainings aufgenommen und beseitigt werden.

Darauf sind Flipped Classroom Trainings ausgerichtet. Während des Trainings liegt der Schwerpunkt auf der aktiven Anwendung der Inhalte. Hierfür bearbeiten die Teilnehmer verschiedenste Übungen und Beispiele. Dies können beispielsweise konkrete Beispiele, oder auch reale Prozesse, sein. Die Aufgaben können wahlweise alleine oder in Kleingruppen bearbeitet werden, ganz wie die Teilnehmer möchten. Je nach Kenntnisstand ist es jedoch besonders wichtig, dass sie versuchen die Aufgabe eigenständig zu lösen und sich auch bei schwierigen Hürden selbst „durchbeißen“. Sollte es trotzdem mal nicht klappen ist dies kein Problem, da der Trainer sofort unterstützen kann und für die richtige Anwendung des Lerninhalts sorgt. Sollte ein Teilnehmer früher mit seinen Aufgaben fertig sein, kann er andere Teilnehmer unterstützen (z.B. hilfreiche Tipps geben oder seine Aufgabe gemeinsam bearbeiten). So ist es möglich, das Wissen erfahrener Teilnehmer zu nutzen und auch bei ihnen durch das Erklären der Inhalte einen nächsten Verarbeitungsschritt zu vollziehen.

In der Praxis gibt es 3 verschiedene Flipped Classroom Ansätze:

  1. InClass Flipp: Einsatz des Videos während des Trainings (z.B. zu Beginn des Trainings oder bei Bedarf für neuen Input)
  2. Half-Flipp: Inhalte werden während des Trainings vermittelt, die eigene Aufbereitung/das Abschreiben erfolgt jedoch nach dem Training
  3. Flip: Input wird eigenständig vor/nach dem Training bearbeitet

Wenn der Trainer all seine Trainings nach Flipped Classroom Ansatz durchführt, entsteht auf diese Weise schnell eine umfassende Wissenssammlung bzw. Bibliothek. Nicht nur, dass diese Sammlung hervorragend für Folgetrainings verwendet werden kann, auch die Verwendung von (neuen) Kollegen ist so wesentlich einfacher möglich. Im schulischen Umfeld spricht man hierbei von einem digitalen Klassenzimmer: Der Lerninhalt ist immer und überall verfügbar. Die Teilnehmer bzw. Schüler können sich so eigenständig mit spezifischen Schwierigkeiten auseinandersetzen und ihre Probleme im besten Fall selbst lösen. Auf diese Weise sind Trainings deutlich nachhaltiger und machen viel mehr Spaß!

Durch den Flipped Classroom Ansatz steht die Anwendung und das Betreuen bei auftretenden Problemen im Fokus des Trainers. Während der Teilnehmer den Lerninhalt aktiv an einer Übung oder einem Beispiel trainiert, steht der Trainer für Fragen und Unterstützung zu Verfügung. Auf diese Weise ist ein deutlich größerer Praxistransfer möglich, so dass die neuen Fähigkeiten auch besser in der Praxis angewendet werden können.

Und nun noch etwas in eigener Sache: Mit unserem neuen Produkt, der LernWerkstatt, ist es hervorragend möglich Flipped Classroom Trainings durchzuführen. In der LernWerkstatt stehen dir sehr viele Inhalte des Lean Managements, Toyota Kata und auch Ziel-Entfaltung zu Verfügung. In jeder Lerneinheit stehen Theorie, Beispiele und Übungen bereit, anhand derer du das jeweilige Thema einfach und anschaulich trainieren kannst. Du kannst dich dort entweder selbst in neue Themen einarbeiten, die Lerneinheiten (z.B. Arbeit mit Standards, Probleme erkennen oder Prozessbeobachtung) aber auch in deinen Trainings einsetzen. Wähle hierzu einfach eine bestimmte Einheit aus, stelle den Teilnehmern die Inhalte und Beispiele vor dem Training zu Verfügung. Während des Trainings arbeitest du mit ihnen dann aktiv an Übungen, Simulationen oder direkt in der Praxis. Auf diese Weise machen die Trainings für alle Beteiligten wesentlich mehr Spaß und erhalten erheblich mehr Anwendungs- bzw. Praxis-Bezug.