Toyota hat in den 50er Jahren begonnen, die heute bekannten Lean-Tools in seinen Werken zu realisieren. Im Laufe der Jahre wurde das Toyota-Produktionssystem sukzessive weiter ausgebaut – und zunehmend auch genauestens dokumentiert. Aufbauend auf den Produktionsprinzipien, die Taiichi Ohno und sein Team bei ihren Besuchen  der Ford Motor –Company während der Nachkriegszeit erleben konnten, wie z.B. Produktion im Fluss und Standardisierung, wurden die Prozesse in den Werken des japanischen Autobauers entsprechend angepasst. Bei der Implementierung stand man allerdings vor der Herausforderung, die Prinzipien auf eine wesentlich größere Variantenvielfalt der Produkte zu übertragen. Es galt somit, die Komplexität der Prozesse in Einklang mit den Prinzipien des Ford-Produktionssystems zu bringen und gleichzeitig aber reibungslose sowie hochproduktive Arbeitsabläufe zu gewährleisten. Dabei stießen die Kaizen-Mitarbeiter allerdings zunehmend auf Probleme.

Wie diese aussahen, schilderte uns vor einigen Jahren  Masaki Imai (er war in der frühen Anfangszeit neben Taiichi Ohno einer der Treiber des Toyota-Produktionssystems), mit dem wir bei einem Kongress gemeinsam zu Abend essen durften. Im Rahmen dieses persönlichen Zusammentreffens erzählte er uns einige Anekdoten aus der Anfangszeit der Einführung dieser neuen Prozesse.

Als Beispiel wählte er die Mitarbeiter einer bestimmten Montagelinie, die stets nach einem gewissen Standard arbeiteten. Sobald jedoch eine andere Variante über das Band lief, verließen die Mitarbeiter erst einmal die Montagelinie, um Material zu holen, Behälter zu wechseln oder andere Vorrichtungen zu rüsten. Zur Behebung dieses Problems stellte das Team einen Logistiker zur Verfügung, der die Linie mit Material versorgen und somit die Produktionsunterbrechungen beseitigen sollte. Das Ergebnis: Je öfter sie den Logistiker beobachteten, desto häufiger entdeckten sie Probleme  in seinen Arbeitsabläufen. Um diese zu beheben, konstruierte das Team entsprechende Hilfsmittel. So wurde beispielsweise ein Wagen aufgebaut, damit er für wenige Behälter nicht immer einzeln laufen musste. Zudem stellte man ihm das Material an einem bestimmten Platz bereit. Einige Wochen später definierte das Team zudem feste Startzeiten für den Logistiker, damit er die Produktion rechtzeitig versorgen konnte. Überdies legte  man eine bestimmte Route fest, die er Zyklus für Zyklus ablaufen sollte.

Mittels dieser ständigen Prozessverbesserung wurde ein System entwickelt, das heute unter den Begriffen Milk-Run, Mitsusumashi oder Taumelkäfer bekannt und in vielen Fabriken realisiert ist. Das Team rund um Taiichi Ohno tat also etwas absolut Menschliches: Es erkannte ein Problem, hatte eine Idee für dessen Lösung und wendete diese mit einer klaren Erwartungshaltung an! Aus eben dieser eigentlich profanen, aber logischen Vorgehensweise entstand somit eine Lösung, die genau auf ein vorliegendes Problem passte. Ähnlich lief auch die Entwicklung der heute bekannten Lean-Tools, wie z.B. Kanban, Heijunka, SMED, etc.. ab.

Genau diese Instrumente wollen viele Führungskräfte in der Praxis unter die Lupe nehmen, wenn sie im Rahmen von Benchmark-Touren verschiedene „Best-Practice“-Unternehmen besichtigen  Im Idealfall sehen sie vor Ort, wie die Monteure relativ gleichmäßig nach Standard arbeiten, ein Insellogistiker das Material von außen bereitstellt, welches er aus einem Supermarkt entnimmt. Zehn Minuten später läuft der Logistiker eventuell seine nächste Runde oder versorgt einen weiteren Produktionsbereich.

Die Transparenz durch Kanban, Nivellierpläne und Andon-Boards mag bei den Führungskräften einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der durch die stets positiven Aussagen des werkführenden Managers noch bestätigt wird. Möglicherweise komplett imponiert von den Vorführungen kehren so manche Führungskräfte zurück in ihr Unternehmen, um sodann aufgrund der ständigen Probleme in ihren Bereichen anzuweisen, Teile der Lean-Tools dort einzuführen. Bei größeren Konzernen ist indes ein weiteres Phänomen zu beobachten: Im Rahmen von Audits und Management-Besuchen werden die Werke danach bewertet, wie einzelne Lean-Elemente realisiert wurden. So gibt es beispielsweise für das Vorhandensein eines Andon-Boards X Punkte, für die Realisierung von Logistikern Y Punkte und die Steuerung über Heijunka Z Punkte.

Das ist alles schön und gut! Aber oft wird vergessen, die simple Frage zu stellen, ob im  optimierungsbedürftigen Bereich die entsprechende Problemstellung – und damit auch die Notwendigkeit für die Einführung der Lean-Tools – überhaupt vorliegt. Es kann allerdings auch genau anders herum laufen: Unserer Erfahrung nach gibt es zum Beispiel viele Manager, die sich konsequent weigern, alle Tools einzuführen, weil sie der Meinung sind, dass der Großteil davon ihre wahren Probleme nicht lösen wird. Müssen diese Manager die aus ihrer Sicht nicht hilfreichen Lean-Elemente aufgrund von Anweisungen  ihrer Vorgesetzten doch realisieren, tritt im Gegenzug häufig die bekannte Leistungskurve auf.

Diese negative Entwicklung, wie sie bei der Implementierung von Lean-Tools oft festzustellen ist, lässt sich aber vermeiden – beispielsweise indem man selbst ein sog. Kanban, sprich: eine eigene Lösung für ein Problem entwickelt. Genau das ist unserer Meinung nach der richtige Ansatz, um die Prozesse und die Organisation kontinuierlich zu verbessern.

DU solltest demnach nicht versuchen, die Lean-Tools einfach zu kopieren und auf die Prozesse in deinem Bereich zu übertragen. Stattdessen gilt es, die Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, Prozesse in ihrem Verantwortungsbereich eigenständig in Richtung eines klaren Ziels zu verbessern! Hierbei hilft uns die Arbeit mit der Verbesserungs- und der Coachingkata, mit der zielgerichtetes Arbeiten trainiert wird und der Verbesserer zudem täglich etwas Neues (für ihn selbst und das Unternehmen) dazulernen muss.