Die Verbesserung der Prozesse erfolgt meist zunächst anhand ausgewählter Pilotprodukte. Je größer die Vielfalt der Produkte eines Unternehmens ist, desto größer die anfänglichen Bedenken hinsichtlich des Themas Wertstroms. Nicht selten wird man bei beispielsweise Auftragsfertigern mit folgender Aussage konfrontiert: „Die Erfassung des Wertstroms für eine Produktfamilie ist ja nett, aber das spiegelt bei weitem nicht die Komplexität unserer Abläufe wieder!“. Natürlich haben diese Personen absolut Recht. Die Komplexität des Arbeitsalltags entsteht nicht durch einzelne Produkte, sondern vielmehr durch das Abwickeln der vielen, verschiedenen Artikel – und das im Kontext der täglichen Probleme.

Hierzu möchte ich zweierlei Aussagen treffen. Einerseits scheitern die meisten Veränderungsprojekte, weil die entwickelten Ideen rein theoretischer Natur und für die Umsetzung in die Praxis nicht geeignet sind. Jedoch auch, wenn sie für die Umsetzung geeignet sind, wird die sogenannte Umsetzungshürde sehr häufig nicht überschritten bzw. die Umsetzungen sind vor Ort am Prozess nicht wirksam. Andererseits haben die verschiedenen Produktfamilien mehr oder weniger unterschiedlich ablaufende Wertströme. Die Besonderheiten der einzelnen Wertströme erfordern eine individuelle Abwicklung bzw. Umsetzung vor Ort am Gemba. Dies in der Realität jedoch nur selten bei der Umsetzung von (EDV-)Systemen und Abteilungsübergreifenden Prozessen berücksichtigt, vielmehr wird alles „über einen Kamm“ geschert. Auf diese Weise entstehen Lösungen, die nur für einen Teil der Produkte wirksam sind, die anderen Produkte müssen „vom Standard“ abweichen und verursachen die heutigen Probleme. Dadurch entsteht die heutige Komplexität.

Wenn du die Komplexität der Prozesse also verstehen möchtest, solltest du die Besonderheiten der einzelnen Wertströme betrachten. Aus diesem Grund sollten die verschiedenen Wertströme gesondert analysiert und die grundlegenden Muster verstanden werden. Nach der Analyse der ersten Wertströme merkst du, dass beispielsweise durch die Betrachtung einer Produktfamilie bereits X andere mit erfasst wurden, da der Wertstrom identisch läuft. Natürlich sind die einzelnen Prozesskennzahlen bzw. Indikatoren, wie beispielsweise Bestand, Bearbeitungs-, Rüst- und OEE, vollkommen unterschiedlich. Dies wird jedoch durch die ergänzende Prozessanalyse berücksichtigt.

 

Aus diesem Grund sollte die Komplexität der heutigen Strukturen zunächst gezielt reduziert werden und die Umsetzungshürde schnell überschritten und die ersten Erfolge zu erzielt werden. Nach der erfolgreichen Verbesserung einzelner Prozesse werden die Verbesserungen Schritt für Schritt auf weitere Produktfamilien ausgeweitet, bis die gesamte Komplexität abgebildet und beherrscht wird.

Aufbauend auf diesem Verständnis müssen individuelle Ziel-Wertströme entwickelt werden, die mit Wertstrom-übergreifenden Soll-Ablauf-Mustern verbunden werden. Auf diese Weise werden Prozesse innerhalb einer Abteilung, aber auch das abteilungsübergreifende Zusammenspiel abgestimmt bzw. synchronisiert (diese werden häufig in Form der Lean-Tools umgesetzt).